Wenn Mauern in Kirchen und Köpfen fallen – Heidelberg feiert 500jähriges Reformationsjubiläum mit Ökumenischer Vereinbarung

So voll, geradezu überfüllt, hat man die Heiliggeistkirche im Herzen der Altstadt selten gesehen: Am 31. Oktober 2017 drängten sich noch gut hundert Besucher vor den beiden Eingängen, aber es war nichts zu machen: Niemand passte mehr ins Gebäude. Dass so unerwartet viele kamen, hatte gleich mehrere Gründe: Um 18 Uhr gab es eine spektakuläre Tanzperformance samt Lichtinstallation, eine Stunde später den ökumenischen Festakt samt Gottesdienst – sozusagen der Höhepunkt der Heidelberger Reformationsfeiern. Und das im besten ökumenischen Geist, denn hier feierten die Protestanten nicht unter sich, sondern gleich mit den anderen neun Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Heidelberg (ACK), deren Vertreter zu Beginn des Gottesdienstes eine Ökumenische Vereinbarung  unterzeichneten. 

Mit einem ökumenischen Gottesdienst in Heiliggeist feiern die Heidelberger Kirchen das 500. Reformationsjubiläum und unterzeichnen eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit. Die Predigt hält der Theologe Prof. Dr. Michael Welker. Zuvor führt das UnterwegsTheater seine Tanzperformance „re4mation“ auf, an deren Ende die Trennmauer zwischen Katholiken und Protestanten zum Einstürzen gebracht wird, die auch baulich die Heiliggeistkirche bis 1936 getrennt hatte. Foto: Philipp Rothe, 31.10.2017

Die Tänzer des Unterwegs-Theaters hatten eine knappe Stunde genau das thematisiert, um was es an dem Abend auch gehen sollte: Gab es zunächst nur Konflikte und Gewalt unter den Konfessionen, wurde schließlich die Mauer zwischen Chor und Langhaus durchbrochen – wie auch in Heiliggeist vor 71 Jahren. Zuvor war die Kirche 230 Jahre lang von Protestanten, Katholiken (und später Altkatholiken) genutzt worden. Die Steine sind mehr als nur ein Symbol: „Es gibt immer noch Steine auf dem Weg zur Ökumene, aber wir machen uns wenigstens auf den Weg“, so die evangelische Stadtdekanin Marlene Schwöbel-Hug. Dazu passte auch die Predigt des Heidelberger Theologen Professor Michael Welker, der dazu aufrief, die Reformation „als Botschaft der Befreiung“ zu feiern. Denn die Reformation führte nicht nur zur Kirchenspaltung, sondern auch zu einer umfassenden geistigen und theologischen Erneuerung und einer sozialen Bewegung, die wir heute als Caritas oder Diakonie kennen. Welker verschwieg auch nicht „das Versagen der Reformation“: das Unverständnis gegenüber der Not der Bauern oder antisemitische Ausfälle. Und doch: 500 Jahre Reformation ist, alles in allem, mehr Licht als Schatten.

(nach einem Bericht der RNZ am 2.11.2017 von R. Henkel)